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23.03.2010

2010 - Woche 6: Korruption und Zufälle

Korruption und ein leiser Vorwurf

Wir sind auf dem Weg nach Mityana. Alle Sammeltaxis sind zum Brechen voll. Ein Privatauto bleibt stehen. Zu viert quetschen wir uns auf die Rückbank. Nach dem üblichen Small Talk erfahren wir, dass der Fahrer eigentlich Lehrer ist, jetzt aber Mathematik-Schulbücher für den ugandischen Verlag MK schreibt. Keine Woche zuvor haben wir hunderte dieser Bücher gekauft. Ein schräger Zufall. Wir hatten uns für MK Bücher entschieden, da sie nicht nur den besten Ruf haben, sondern weil sie auch in Uganda publiziert werden. Dass die Mathebücher für die zweite Klasse nicht verfügbar sind wird uns auch gleich erklärt. Sie sind immer noch im Container. Gabi und ich schauen uns groß an. Wir dachten sie werden in Uganda gedruckt. Fehlanzeige. Die Bücher kommen aus Indien. Soviel zum Kauf lokaler Produkte…naja zumindest geschrieben werden sie hier, und das mit dem richtigen kulturellen Hintergrund. Außerdem werden die anderen Schulbücher auch nicht hier gedruckt. Es gibt angeblich keine so große Druckerei in ganz Uganda.

Da wir einen Experten vor uns haben fragen wir gleich weiter. „Warum sind die Kinder in Uganda großteils so verdammt schlecht in Mathe?“ Wir haben einen strukturiert denkenden Mann da am Steuer sitzen. „There are many reasons, but the most important are:”
Erstens ist die Lehrerausbildung sehr schlecht, und zweitens ist der Zugang zu Mathematik ein Falscher. Alle betrachten Mathematik als schwer, und damit hat man Angst davor und das tut dem Lernerfolg nicht gut.

Aber zurück zum ersten Grund. Da sind die Geberländer (also auch wir aus Österreich) nicht unschuldig. Unsummen werden in die Bildung gesteckt. Aber die Implementierung schaut man sich kaum an. Geld wird einfach an Ministerien verteilt Aber die Korruption ist überall. Und so wird dann etwa statt in Lehrerworkshops, Bücher oder Schulbänke extrem viel Geld in Dinge gesteckt wie die Lehrplanentwicklung. Ständig gibt es etwa neue Lehrpläne. Der Grund ist ganz einfach. Hier ist es leichter Geld ab zu zweigen. Bei einer Schulbank oder einem Schulbuch weiß man den Preis, die „Experten“ können jeden Preis haben.
Auf die Frage ob er das auch vor einer Kamera sagen würde folgt erstmal Lachen und dann ein überzeugtes „NEIN. Man kennt mich, ich würde als Rebell angesehen werden.“
Wir sind in Mityana angekommen. Telefonnummern werden ausgetauscht. Wer weiß vielleicht ein geeigneter Referent beim nächsten Lehrerworkshop.

Unser School Support Network

Begegnungen wie die oben beschriebene bestärken uns in unserem Ansatz wirklich auf lokaler Ebene an zu setzen, und extremst genau darauf zu achten, dass unser Spendergeld sparsam und sinnvoll eingesetzt wird. Mittlerweile ist unsere hier in Uganda eingetragene NGO doch relativ bekannt. So schickt uns die „Jugendabteilung“ der Polizei ebenso Bittschreiben um Unterstützung diverser Kinder wie Mitglieder des Parlaments oder der Educational Officer des Buganda Kingdom. (Hier in Uganda gibt es nämlich neben der offiziellen Republik auch mehrere Königreiche, die aber offiziell nur noch kulturelle Bedeutung genießen.) Der Umgang mit diesen Kandidaten ist immer ein gewisser Eiertanz. Natürlich bleiben wir unserer Linie treu, nur die wirklich bedürftigsten zu unterstützen, andererseits darf man es sich natürlich auch nicht mit diesen Leuten verscherzen. Zum Glück haben wir da mit Cesar einen hervorragenden Diplomaten der diesen Seiltanz vollbringt, und so wirklich nur die bedürftigsten Kinder ins Patenprogramm aufgenommen werden. Aber natürlich ist uns klar, und wird uns immer klarer, dass das bloße zur Schule schicken der Kinder alleine nicht reicht. Wir müssen auch schauen, dass die Kinder in diesen Schulen auch ein Mindestmaß an Qualität des Unterrichts vorfinden. Wenn in der staatlichen Schule 120 Kinder in der Klasse sitzen, und der Lehrer eher sporadisch anwesend ist kann man kaum von Qualität sprechen. Daher finanzieren wir für unseren Kindern auch durchwegs den Besuch in den Community based „Privatschulen“ die von einem privaten Team von Lehrern und Eltern geführt werden. Viele dieser Schulen haben wir schon mit einem Wassertank, oder Schulbänken versorgt. Und natürlich kommen immer mehr Schulen die von der Entwicklung unserer „St Mary School“ hier in Zigoti mitbekommen, und bitten um Unterstützung. Für die Vielzahl von Anfragen dieser Community Based Schools haben wir nun an einem eigenen Ansatz gearbeitet, den wir sofern wir die Finanzierung auf die Beine stellen können demnächst umsetzen wollen. Bereits vor Weihnachten wurden an die 20 Schulen besucht die gerne Unterstützung hätten. Und immer wieder ist man überrascht wie (verhältnismäßig) hoch das Niveau in einer Schule sein kann, die aus nicht viel mehr als ein paar Holzpfählen und ein paar alten Wellblechen zusammen genagelt ist. Man sieht einfach, dass bei diesen Schule Herzblut und Einsatz drinnen stecken. Aber wie entscheiden wen wir zukünftig in unser Programm aufnehmen?

So entstand ein Kriterienkatalog unter welchen Umständen wir uns überhaupt eine Unterstützung vorstellen können, ein allgemeines Infoblatt und auch ein Anmeldeformular.

Nach einer ersten Vorauswahl wurden 12 der bereits besuchten Schulen eingeladen. Wohl wissend, dass eine mögliche Unterstützung erst in einiger Zeit sein wird, kamen alle Direktorinnen und Direktoren bis auf eine. Und fast noch überraschend bis auf zwei total pünktlich. Auch das ein Zeichen, dass da ein gewisses Commitment dahinter steht.

Es war ein Meeting wie wir es uns wünschen.

Cesar hatte das Meeting perfekt vorbereitet. Ein kurzes Referat über unsere Grundsätze, die Entstehung und Schwierigkeiten in der Anfangsphase und wo wir heute stehen. Aktive Teilnahme an der Diskussion, Fragen und nicht länger als zwei Stunden. Normalerweise fangen viele Meetings hier etwa zwei Stunden nach der vereinbarten Zeit an. Als der nicht eingeladene Officer der Distriktbehörde kam waren alle beim Aufbruch. Auch durch Pünktlichkeit kann man sich einiges ersparen.

Weibliche Güte und männliche Strenge

[stefan] Es ist wohl ganz gut, dass Gabi und ich hier gemeinsam vor Ort sind. Was ich, Stefan, zu streng bin, ist Gabi zu gutmütig. Aktuell wurde das gerade wieder offensichtlich, als es darum ging, wer von unseren Senior 4 Abgängern nach dem Abschluss eine weiterführende Schule, oder eine Berufsausbildung von KINDERN EINE CHANCE bezahlt bekommt. Eine Entscheidung die wir ganz klar nicht Cesar und Ian alleine überlassen. Als Verein haben wir uns ja vorgenommen die Kinder in jedem Fall, sofern sie die Schule regelmäßig besuchen, bis zur Senior 4 zu finanzieren. Alles weitere hängt von der Aktivität und den schulischen Resultaten der Jugendlichen ab. Die zu dieser Zeit ja durchwegs so um die 16, oder 17 sind. Ein Alter in dem viele hier in Uganda einen Haushalt führen, was natürlich nicht unser Ziel ist, aber trotzdem muss man eine gewisse Realität im Lande anerkennen. Wer nicht selbst was für seine Zukunft tun will, dem werden wir unsere Unterstützung nicht aufzwingen.
Kurzum da gibt es so zwei drei Kandidaten die nicht gerade vor Aktivität sprühen, und über deren weitere Unterstützung man durchaus diskutieren könnte. Schlussendlich ist es ja auch nicht gerade billig in Uganda eine Ausbildung zu machen. Etwa der Kurs für Landwirtschaft, den eine der Abgängerinnen besuchen wird, wird im Jahr an die 600 Euro kosten. Julius, einer der Fleißigsten, wenn auch nicht besten, will nach Kampala auf einen Kurs für Projektmanagement Der Kurs hat einen sehr guten Ruf…die Kosten erfahren wir morgen.
Wie auch immer, Gott sei Dank hat sich Gabis Gutmütigkeit gegen meine Strenge durchgesetzt, und alle 8 werden weiter unterstützt, zusätzlich zu den 4 die schon in Senior 5 sind. Und eines haben die Jugendlichen - glauben und hoffen wir – verstanden. In den 4 Monaten Ferien im Jahr müssen sie anständig auf der Farm mithelfen.