12.12.2016
Ein Jahr Uganda
Bericht von Thomas Gaar
Ich habe in den vergangen 12 Monaten meinen Auslandsdienst bei der Organisation ‚Kindern eine Chance‘ in Uganda geleistet und möchte hiermit Einblick in einen meiner letzten Arbeitstage geben und abschließend ein Resümee über diese Zeit ziehen:
„kikerikiiiiii“… Einen Wecker brauche ich hier in meiner Unterkunft in Zigoti nicht, der Hahn beginnt jeden Tag ab 5.00 Uhr zu schreien und weckt mich mit Sicherheit auch. Um 7.00 Uhr stehe ich schließlich auf und gehe erst einmal duschen. Ein wenig ungewohnt war es am Anfang schon, sich mit einer bloßen Wasserflasche zu „duschen“, noch dazu wenn das Wasser aus dem Wassertank alles andere als warm ist. Zumindest bin ich dann hellwach. Mittlerweile bin ich fast schon ein Profi und habe den täglichen Wasserverbrauch optimiert!
Dann mache ich mich auf den Weg und hole ein Motorrad aus der Garage, um zum wenig entfernten Hauptquartier meiner Organisation zu fahren. Es hat leider in der Nacht geregnet und auf den nicht asphaltierten Wegen nicht wegzurutschen, stellt sich als große Herausforderung dar. Zum Glück habe ich meine Gummistiefel an, dann kann ich mir zumindest mit den Füßen ein wenig bei der Balance helfen.
Im Büro angekommen bespreche ich einmal mit zwei lokalen Mitarbeitern, wer welche Route nimmt – denn heute arbeite ich wieder in unserem Porridge-Programm mit. Ich finde das Programm wirklich toll und sinnvoll. Meine Organisation hat eigene Schulen (10 insgesamt, davon einige für Kinder mit Behinderung), will sich aber dennoch für die gesamte Bevölkerung einsetzen. Im Porridge-Programm werden 60 öffentliche Schulen betreut und unterstützt. An die besonders tüchtigen Schulen liefern wir Maismehl, damit den Kindern an der Schule Porridge zubereitet werden kann. Für Porridge wird Maismehl mit Wasser heiß gemacht und es stellt daher eine Art Brei da.
Bildbeschriftung: LH Günter Platter zu Besuch im Büro des Porridge-Programms: Der Gründer der Organisation Stefan Pleger (2.v.r.) und ich (2.v.l) mit den beiden lokalen Mitarbeiten (links und rechts von mir)
Einerseits verbessert sich dadurch die Leistung der Schülerinnen und Schüler – mit einem gefüllten Magen lernt es sich einfach besser - und andererseits schicken die Eltern ihre Kinder dann lieber in die Schule. Das ist ein nicht zu vernachlässigender Faktor, denn oft spannen die Eltern die Kinder bei der landwirtschaftlichen Arbeit ein, um ihnen überhaupt Essen zur Verfügung stellen zu können. Der kleine Teil unseres Aufgabengebiets stellt die Auslieferung des Maismehls dar und der viel größere Teil die Betreuung und Kontrolle der Schulen und des Schulpersonals.
Normalerweise sollte das die lokale Regierung machen. Dieser fehlen aber die nötigen Ressourcen und daher haben wir eine Vereinbarung, dass wir im Namen der Regierung an die Schulen fahren dürfen und am Ende des jeweiligen Schulterms (davon gibt es drei pro Kalenderjahr = Schuljahr) unsere Beobachtungen mittels Bericht übergeben. Unsere Organisation hofft dann, dass bei besonders gravierenden Fällen Konsequenzen gezogen werden. Das ist allerdings ein sehr mühsames Unterfangen. Wir übermitteln nun schon seit mehreren Jahren genaue Auflistungen über die Anwesenheit und Unterrichts-Vorbereitung des jeweiligen Lehrpersonals. Bis dann aber schlussendlich etwas passiert, kann es Monate und sogar Jahre dauern. Es ist beispielsweise vorgekommen, dass ein Lehrer seit zwei Jahren nicht mehr an der Schule ist oder vielleicht nur ein paar Tage im Jahr an der Schule war und dennoch sein Gehalt jeden Monat erhält.
Ein nicht ausgereiftes bürokratisches System ist aber nicht das einzige Problem, es gibt in den öffentlichen Schulen insgesamt leider sehr große Baustellen. Eines der größten Probleme ist die Unterrichts-Qualität in Bezug auf die Vorbereitung der Lehrerinnen und Lehrer und die Unterrichts-Durchführung. Unsere Aufgabe und unser Ziel ist auf jeden Fall, die Situation insgesamt zu verbessern. Hier ist ein Video, in dem ich eine Schule besucht habe:
Man erkennt sofort, dass im ugandischen Schulsystem viel Wert auf Hierarchie gelegt wird (z. B. durch die Begrüßung eines Gasts in der Klasse, die gemeinsamen Antworten der Schülerinnen und Schüler, Schuluniformen, etc.). Darüber hinaus wirkt das ugandische Englisch – wie im Video von mir kommuniziert – sehr schroff und direkt. An das habe ich mich zuerst auch einmal gewöhnen müssen. Jedoch ist das die direkte Übersetzung von der Stammessprache ins Englische. Die Bitte „Könntest du mir bitte ein Blatt Papier geben?“ würde wie folgt übersetzt werden: „You give me a sheet of paper!“
Zurück zur Situation in den Schulen. Die Frage, die ich mir immer wieder stellen musste: Wie kann ich die Situation zumindest geringfügig verbessern? Das ist alles andere als eine leichte Aufgabe. In vielen Fällen sind die Lehrerrinnen und Lehrer deutlich älter als ich und da soll ich ihnen erzählen, wie sie nicht besser die Kinder unterrichten können? Am Anfang war das für mich eine sehr komische und herausfordernde Situation. Zu meinem Glück waren sämtliche Personen im Bildungssystem durchaus kooperativ. Schließlich wussten das Lehrpersonal und die Direktoren: Wenn sie sich anstrengen und eine gute Performance zeigen, bekommen sie Maismehl geliefert. Da das einen unglaublichen Stellenwert für die jeweilige Schule hatte, war natürlich die Kooperationsbereitschaft hoch.
Da bei jeder der 60 Schulen in unserem Programm um die acht Lehrerinnen und Lehrer inkl. Direktor Schulpersonal waren, war ich gemeinsam mit den beiden lokalen Mitarbeitern für Betreuung von 500 Lehrpersonen zuständig. Pro Tag habe ich im Durchschnitt 8 Schulen besucht, d. h. ich habe das Lehrpersonal – insofern die Beteiligten anwesend waren – in regelmäßigen Abständen gesehen. Und das war auch enorm wichtig. Die Kooperationswilligkeit insbesondere in der Bereitschaft der Lehrpersonen geäußert, ihre Anwesenheit und Vorbereitung zu verbessern. Bei jedem Besuch geben Lehrerinnen und Lehrer Versprechungen ab, denen zufolge sie sich stark verbessern. Jedoch sind das leider oft nur Lippenbekenntnisse und es ist Konsequenz gefragt, um den Fortschritt zu beobachten und regelmäßig motivierend zur Seite zu stehen.
So, nun habe ich 8 Schulen besucht und es ist bereits 16:00 Uhr. Es ist Zeit, wieder zurück ins Office zu fahren und mit meinen beiden anderen Kollegen das Erlebte und die positiven und negativen Entwicklungen in den Schulen zu besprechen. Auch sie haben Beispiele parat, Grund genug geben, am nächsten Tag wieder unzählige Schulen zu besuchen. Nachdem das nun mein allerletzter Tag im Porridge Programm ist, ziehen wir ein gemeinsames Resümee über unsere Arbeit in den Schulen in dem Jahr, in dem ich nun mitgearbeitet habe: Es ist zwar ein sehr mühsames Unterfangen und man braucht wirklich viel Ausdauer und Konsequenz. Nichtsdestotrotz erkennt man auf eine lange Perspektive kleine Verbesserungen, für die es sich lohnt, täglich wieder aufs Moped zu steigen und unzählige Kilometer hinter sich zu bringen. Die zwei weiteren lokalen Mitarbeiter werden ihre Tätigkeit fortsetzen und ‚Kindern eine Chance‘ hat vor, das Projekt auch weiterhin auszudehnen und wachsen zu lassen.
Mittlerweise ist es 17:30 Uhr geworden und die Mitarbeiter und die Schülerinnen und Schüler unserer Organisation haben etwas Besonders für mich vorbereitet: Eine Abschlussfeier. Ein letztes Mal sind alle zusammengekommen, um sich bei mir zu verabschieden, bevor es in wenigen Stunden wieder retour nach Österreich geht. Die Schülerinnen und Schüler haben dankenswerterweise sogar einen Song für mich einstudiert, welchen ein Freund von mir auf Video eingefangen hat:
Mittlerweile bin ich wieder in Österreich voll „angekommen“ und habe mir ausreichend Zeit genommen, mein Jahr und meine Erfahrungen Revue passieren zu lassen. Das Leben in Österreich fühlt sich für mich ehrlicherweise sehr anders an, als würde ich eine völlig neue Wahrnehmung haben. Es hat sich bei mir eine unglaubliche Wertschätzung und Glückseligkeit entwickelt, für all das was ich bisher in meinem Leben erleben durfte. Das ist aber wahrscheinlich auch verständlich, wenn man jeden Tag den Vergleich sieht, was es bedeutet in Uganda oder in Österreich aufgewachsen zu sein.
Wir werden wahrscheinlich nie die Antwort finden, warum Gott es uns ermöglicht, in so einem Umfeld aufzuwaschen und anderen nicht. Gerade daher habe ich es für mich als wichtig empfunden, einen Beitrag zu leisten und genau mit jenen zusammenzuarbeiten, die mit ganz anderen Voraussetzungen als ich in das Leben starten. Ich bin über jede einzelne Sekunde in Uganda dankbar und habe mir von so vielen Leuten etwas mitnehmen können und gleichzeitig versucht, im Rahmen meiner Tätigkeit etwas zurückzugeben.
Ich habe dort sehr gute Freunde gefunden, mit denen ich nach wie vor in regelmäßigem Kontakt bin. Ehrlich gesagt, ein wenig „Heimweh“ nach Uganda habe ich schon. Aber zum Glück gibt es ja das Sprichwort: Im Leben sieht man sich immer zwei Mal!