23.03.2011
2011 - Sechster Eintrag: Starke Frauen, Mechaniker und Sandflöhe
Daniel unser Mechaniker
Daniel ist unser Neuzugang. Seit gut einer Woche ist er hier im Internat in Zigoti. Nachdem beide Eltern an Aids starben kam er nach Mityana, wo er sich anfänglich herumtrieb, und dann von einem Tankstellenbetreiber aufgenommen wurde. Er wusch Autos, wechselte Reifen und flickte Platten, dafür konnte er dort schlafen und essen. Ein Jahre schon arbeitete der 15 Jährige dort. Es war Ceasar mehrfach aufgefallen, dass er immer an der Tankstelle herumhing. Also sprach er ihn an. Klar würde er gerne zur Schule gehen, aber er habe kein Geld, keine Verwandten, und wenn er nicht an der Tankstelle arbeiten würde auch keinen Platz zum Schlafen. Naja und jetzt ist Daniel hier im Internat. Er spricht kaum Englisch und ist mit seinen 15 der Älteste in der Primary 4. Gerade weil er schulisch nicht unbedingt der beste ist, genoss er es sichtlich, als er den Patschen bei unserem Motorrad flicken durfte. Denn da ist er seinen Klassenkameraden weit voraus.
Nicht alle Probleme sind lösbar
[web_die_fuesse_von_kalyango_voller_jiggars] Diese Woche waren wir auch endlich einmal wieder in St. Agnes und haben unsere dortigen Patenkinder besucht und die zahlreiche Patenpost verteilt. Noch vor zwei Jahren, als wir mit der Unterstützung für die kleine Schule von Direktor Basil anfingen, waren insgesamt etwa 120 Kinder dort registriert. Heute sind es über 250. Unsere Investitionen in die Infrastruktur – wir haben 2 Schulgebäude und ein Internat errichtet – und in die Lehrerfortbildung sowie Unterrichtsmaterialien haben sich herumgesprochen und lockt mittlerweile immer neue, Schüler an, die auch zumindest einen kleinen finanziellen Beitrag leisten. Das ist wirklich sehr erfreulich. Natürlich wollen wir bei unseren Besuchen immer möglichst viele der Patenkinder auch persönlich sehen. Alle auf einmal haben wir noch nie geschafft, denn – wie auch bei uns – sind die Kinder auch ab und zu krank und eben nicht in der Schule. Ein paar der abwesenden Schüler haben wir zu Hause besucht. Darunter auch Kalyango Joseph. Der Bub lebt mit seinem älteren Bruder und einer Schwester bei den Großeltern. Eltern gibt es keine mehr und wann immer wir die Familie besucht haben waren wir in der Vergangenheit beeindruckt, wie sauber und ordentlich die Oma den kleinen Haushalt trotz der Armut gehalten hatte. Diesmal war das anders. Die Großmutter ist sichtlich überfordert. Der Grund liegt in einer Krankheit ihres (um einiges älteren) Mannes, der offenbar manchmal plötzlich und unvermutet aggressiv wird und so wild um sich schlägt, dass sie Hilfe von den Nachbarn holen muss. Zusätzlich leidet er an Diabetes und kann sich selber kaum fortbewegen. Seine Frau muss also meistens daheim sein und sich um ihn kümmern. Für die Kinder bleibt da wenig Zeit. Sie müssen nach der Schule das Wasser zum Kochen, Trinken und Wachen von der Wasserstelle holen, den kleinen Garten bestellen und das Essen kochen. Eine schwierige Situation für alle. Gerne würden wir die Kinder nach Zigoti ins Internat holen, damit sie sich auf sich und das Lernen konzentrieren können. Aber dem stimmt die Oma nicht zu. Offenbar fürchtet sie sich vor einem Leben allein mit dem pflegebedürftigen Mann. Das einzige, wozu sie sich überreden lässt, ist die medizinische Behandlung der Kinder. Sandflöhe müssen aus den Füßen entfernt werden, die Kinder gehören entwurmt und leiden auch unter Mangelernährung. Also macht Kalyango den Anfang und wird nun eine Woche lang in Zigoti von der Krankenschwester medizinisch und Matronin Lydia moralisch aufgepäppelt. Was wird danach sein? Direktor Basil aus St. Agnes wird die Familie regelmäßig besuchen, ihnen auch Maismehl zum Kochen bringen und den Haushalt vom Ungeziefer befreien lassen. Aber die Sorge um den alten Mann kann wohl niemand der Familie abnehmen. Ein Schicksal das uns sehr berührt und uns auch zeigt, dass wir manchmal einfach nichts machen können.
Starke Mütter
[web_Mugaga_mit_Tamara] Uganda ist ja ein Land, in dem die Frauen oftmals mehr arbeiten als die Männer. Gerade wenn man sich weiter von der Hauptstadt und den Hauptverkehrswegen weg ins Land bewegt sieht man oft tagsüber die Männer einfach nur herumsitzen während die Frauen auf den Feldern arbeiten, Wäsche waschen und das Essen für die Familie kochen. Auch wir haben in unserer Organisation hier vor Ort gerade drei junge Mütter, die die Balance zwischen Kindererziehung und Job beeindruckend bewältigen. Unsere Schneiderin Mercy ist Mutter der 2 jährigen Grace und des 8 Monate alten Michael und unsere Administratorin Nuliet ist Mama des 7 Monate alten Lians. Speziell hervorheben möchte ich aber Madame Mugaga (Bild links), die Direktorin der St. Mary’s Schule in Zigoti. Baby Tamara ist 12 Wochen alt und nur 5 Tage nach ihrer Geburt hat Mugaga wieder zu arbeiten begonnen. In Uganda gibt es keinen Mutterschutz oder Karenz und für jeden Tag, den man nicht arbeitet, bekommt man auch kein Gehalt, außer man ist zufllig bei A CHANCE FOR CHILDREN angestellt. Wir sind da nicht so streng und ziehen sofort etwas vom Lohn ab, aber dennoch ist es einfach nicht üblich, sich eine längere Auszeit zu gönnen. Der Vater von Tamara arbeitet weit entfernt im Westen Ugandas und verdient nicht genug, um sich und seiner kleinen Familie einen guten Lebensstandard finanzieren zu können. Also ist Mugaga eben mit dem Baby gleich wieder in die Schule gekommen. Wenn die Mutter unterrichten muss, bleibt Tamara im Zimmer einer anderen Mitarbeiterin liegen, ansonsten liegt sie bei Mugaga im Büro. Während Mugaga das Baby stillt korrigiert sie Schularbeiten oder kontrolliert die Vorbereitungen ihrer Lehrer. Mugaga liebt ihre Tochter und sie liebt auch ihren Job und ich ziehe meinen Hut vor dieser tollen Frau, wie sie beides souverän bewältigt.